Veranstaltungsarchiv

Hier finden Sie Informationen aus vergangenen Veranstaltungen zum nachhaltigen Bauen.

angle-left Fachtagung eco-bau und NNBS 2016: Lowtech oder Hightech - wie viel Technik braucht nachhaltiges Bauen?

Fachtagung eco-bau und NNBS 2016: Lowtech oder Hightech - wie viel Technik braucht nachhaltiges Bauen?

Hoch automatisierte Gebäude kaum nachgefragt

Karin Frick vom Gottlieb Duttweiler Institut berichtete über die Erkenntnisse aus der Studie „Smart Home 2030“. Sie zeigte unter anderem, dass die Nutzer hoch automatisierte Gebäude noch kaum nachfragen und der Markt momentan von den Anbietern getrieben wird. Interessant ist auch, dass Architekten und Bauingenieure das Thema für deutlich weniger relevant halten als etwa Gebäudetechniker oder Elektroplaner/-installateure. Als grösste Hürden auf dem Weg zum automatisierten Zuhause wurden der Preis, die Störanfälligkeit, die Kompatibilität der Systeme und die Fragen um die Datensicherheit identifiziert. Aber nichts destotrotz: Frick vermutet, dass es hier ähnlich ablaufen wird, wie bei den Smartphones: „Zuerst will es keiner und dann kann keiner mehr darauf verzichten“. Das heisse für die Branche: gerüstet sein, kooperieren und den Markt besetzen, bevor es ausländische Grosskonzerne wie Google oder Amazon tun. Die preschen nämlich bereits mit einschlägigen Angeboten vor.

Zurück zu autochthonen Gebäuden

Volker Ritter ergänzte den Blick des Forschers um Aussagen aus der qualitativen Studie der Uni Liechtenstein zum Thema „Wie viel Technik braucht das nachhaltige Haus?“. Sie basiert auf Beträgen von 22 Experten. Wie vor ihm schon Karin Frick, stellte er fest, dass sowohl Bauherren als auch Architekten und Planende dem forcierten Einsatz von Technik eher skeptisch gegenüberstehen. Sie befürchten etwa zu hohe Kosten, überforderte Nutzer oder Betreiber und mangelnde Nachfrage auf dem Käufer- respektive Nutzermarkt.


Volker Ritter: Technik muss vor allem "smart" sein

Im Grunde kranke die Diskussion um Low- oder Hightech aber schon daran, dass die Begriffe nicht hinlänglich definiert seien. Sie liessen sich nur projektbezogen und für die jeweiligen Phasen des Lebenszyklus festmachen. Aber eine gewisse Grundhaltung zu „weniger ist mehr“ scheint in der Branche doch festzustellen sein. Interessanterweise gebe es trotzdem immer wieder schlecht konzipierte oder mangelhaft auf ihren Standort abgestimmte Gebäude, die durch viel Technik überhaupt erst gebrauchsfähig gemacht werden. Folgerichtig forderte er ein Zurück zu „autochthonen“ Gebäuden, die standort- und klimazonengerecht geplant sind.

Ritter empfiehlt im Zusammenhang mit dem Einsatz von Technik immer zu fragen, ob der technische Aufwand für die Nachhaltigkeit notwendig ist und die Ziele nicht auch durch andere (einfachere) Lösungen erreicht werden können. Am Ende sei es nicht entscheidend, ob ein Gebäude lowtech oder hightech sei – es müsse vor allem „smart“ sein.

Hinterfragen, reduzieren, optimieren

Andreas Hofer von der Baugenossenschaft „mehr als wohnen“ informierte über die Erfahrungen mit der gleichnamigen Überbauung in Zürich. Dort wurden auf einem grossen ehemaligen Industrieareal 10 Wohngebäude mit unterschiedlichen technischen Konzepten hochgezogen. Im Vordergrund stand aber, die Häuser von der Architektur her so robust zu planen, dass sie auch mit einfacher Technik funktionieren. Das bedinge aber, dass man vor dem Bau viel rechne und simuliere und vor allem auch die künftigen Nutzer einbinde.

Viel lasse sich für die Nachhaltigkeit auch gewinnen, wenn der bauliche Aufwand optimiert werde. Hierzu gehört etwa die Reduktion der Materialstärken von Decken und Wänden, aber auch der Anteil an Untergeschossen. Hinterfragen sollte man auch die Quasistandards im Bau wie etwa die generell geforderten 24 °C im Bad, die erhöhten Schallanforderungen oder der Umgang mit dem Kaltluftabfall vor Fenstern. Ein weiterer Aspekt, der bei der Züricher Überbauung eher zu Lowtech-Lösungen geführt hat, ist die Datensicherheit. Hochgradig automatisieren heisst ja vernetzen, und da fragt sich immer, wer am Ende was mit den anfallenden Daten treibt. Unter dem Strich habe sich der Ansatz bewährt. Entstanden sei in Zürich eine der günstigsten Siedlungen der letzten Jahre, und trotzdem bieten die Gebäude eine gewisse Grosszügigkeit. „Architektur ist wichtig“, schloss Hofer, „und dies lassen wir uns von den Fachplanern nicht nehmen.“

Das Beste aus zwei Welten

Jürg Spring, Bereichsleiter Bauherrenvertreter/-Beratung Swisscom AG, führte die Teilnehmer an das „Objekt des Tages“, den Businesspark in Ittigen heran. Dabei erfuhr man nebenher, dass die Telekomfirma mit rund 13 000 Objekten, darunter 1000 Betriebsliegenschaften und 90 Bürogebäude, eine der Grossen in der Schweizer Immobilienbranche ist. Der Businesspark wurde für 1700 Arbeitsplätze dimensioniert. Für die Swisscom war von Anfang an klar, dass es ein Leuchtturmobjekt hinsichtlich Nachhaltigkeit werden sollte. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Nutzer im Gebäude wohl fühlen und dort gerne arbeiten.


Florian Lünstedt (vorn) und Martin Meier bei ihrer Vorstellung des Swisscom-Businessparks

Florian Lünstedt, Atelier 5 Architekten, und Martin Meier von Ernst Basler + Partner gingen anschliessend in die Details: Das 45 000-m2-Gebäude hat 130 Mio. Franken gekostet. Damit gehöre es, auf den Arbeitsplatz heruntergerechnet, zu den eher günstigen Bürogebäuden. Dies mag angesichts der ausgeklügelten Gebäudetechnik erstaunen, die sowohl Low- als auch Hightech kombiniert, insbesondere bei Heizung, Lüftung und Kühlung. Ein Beispiel ist die bedarfsgesteuerte Lüftung, die das grosse, überdeckte Atrium quasi als Lunge nutzt. Dabei wird die Luft hauptsächlich durch den natürlichen, aber kontrollierten Kamineffekt gefördert, unterstützt von kleinen, in den Überströmöffnungen der Räume installierten Ventilatoren. Interessant auch die Wärme-/Kälteversorgung: Ihr Heizkreis wird von der Abwärme der Serverräume und einem Erdwärmesondenfeld mit Wärmepumpe gespeist. Der Kühlkreis arbeitet ebenfalls via Wärmepumpe auf die Sonden, wir aber ergänzt um einen Hybrid-Kühlturm ohne Kältemaschine. Damit gelang es auch in der heissesten Zeit des letzten Sommers, ein angenehmes Klima zu erhalten. Hierbei halfen auch die grossen Speichermassen des Gebäudes.

Dieses Gesamtsystem sei, so Meier, nur zu beherrschen gewesen, weil während der Planung ausgiebig simuliert wurde. Wichtig sei auch gewesen, dass die Ergebnisse dieser Simulationen der Bauherrschaft verständlich kommuniziert wurden. Meier plädierte dafür, in der Diskussion anstelle von Lowtech und Hightech den Begriff Smart-Tech zu verwenden. Die Frage sei ja nicht, ob die Technik komplex, oder einfach, neu oder alt sei – sondern, ob sie funktioniere. Erfahrungsgemäss bedingten einfache und robuste Lösungen aber eine umso aufwendigere Planung.

Fazit

Insgesamt liesse sich die Tagung etwa folgendermassen zusammenfassen: Was der Mensch braucht, ist vor allem ein gutes, in sich robustes Gebäude. Dieses rüste man klug mit so viel guter Technik wie nötig aus. Dabei scheue man keinen Rechen- und Simulationsaufwand und achte darauf, dass das Ganze einfach bedien- und für die Nutzer nachvollziehbar bleibt.

Was die Branche als solche angeht: Sie sollte sich im Klaren sein, dass der Anteil an Technik am Gebäude in Zukunft wachsen wird. Dies gilt besonders für die Elektronik, die immer billiger und hoffentlich auch kompatibler wird. Die hiesigen Firmen werden neue Konkurrenz aus der Informations- und Telekommunikationsbranche mit neuen digitalen Geschäftsmodellen erhalten. Auf die braucht Branche Antworten, wenn sie nicht zum Zulieferer degradiert werden will.


Das Podium, von links: Andreas Hofer, Karin Frick, Martin Meier, Robert Minovsky, Jürgen Baumann

In diesem Zusammenhang war die Feststellung an der Podiumsdiskussion interessant, dass die in der Schweiz geltende Honorarordnung den Einsatz von innovativer Technik behindert. So lange die Planenden nämlich entsprechend der Bausumme entschädigt werden, fragt sich, wer den höheren Aufwand für die Optimierung von klugen Lösungen bezahlt. Nicht förderlich sei auch die heutige Ausschreibungspraxis. Meist werde einfach die billigstmögliche Lösung bestellt, mit der sich die gesetzlichen Anforderungen auf dem Papier gerade noch erfüllen lassen. Da fehle oft der Spielraum für innovative, neue Ansätze.

Der Nachmittag bot je eine Session zu Technik im Schul-, Büro- und Wohnbau sowie eine zur Gebäudeautomation. Besonders beliebt war die Besichtigung des Swisscom-Businessparks, während der die technischen Lösungen am lebenden Objekt erklärt wurden. Geschlossen wurde der offizielle Teil mit den Mitgliederversammlungen von eco-bau, NNBS und SGNI.

Hier finden Sie die Präsentationen zu den Referaten als PDF-Dateien - soweit vorhanden.

REFERATE VORMITTAG

Smarthome – was erwartet uns in Zukunft?
Karin Frick, Gottlieb Duttweiler Institut GDI

Wie viel Technik braucht nachhaltiges Bauen? Eine Auslegeordnung
Volker Ritter Architekt und Forscher

Lowtech im Wohnbau- das Hunziker-Areal
Andreas Hofer, Baugenossenschaft "mehr als wohnen"

Swisscom-Businesspark Ittigen – eine Einführung
Jürg Spring, Bereichsleiter Bauherrenvertretung/-Beratung Swisscom AG

Swisscom-Businesspark Ittigen- integrales Gesamtkonzept/Hightech und Lowtech im Bürobau
Florian Lünstedt, Atelier 5 Architekten und Planer AG und Martin Meier, Ernst Basler + Partner AG

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SESSIONS NACHMITTAG

A_1 Lowtech-Systeme und Lüftungsoptionen bei Schulgebäuden

A_2 Innovative Konzepte im Bürobau

A_3 Lowtech oder Hightech im Wohnungsbau

A_4 Energieeffizienz durch Gebäudeautomation

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Frau Herr