Swissbau 2018: Nachhaltigkeit fördern durch Digitalisierung?
Um die Frage, ob Digitalisierung die Nachhaltigkeit des Bauens fördern kann, ging es beim Podiumsgespräch, das eco-bau zusammen mit dem SNBS und dem CRB organisiert hat. Es diskutierten: Michel Bohren, Direktor CRB, Dimitrios Gyalistras, Synergy BTC AG, Jürgen Schade, Porr Suisse AG, Frank Thesseling, Hochschule Luzern. Für den krankheitshalber verhinderten Werner Binotto vom Hochbauamt St. Gallen sprang als Vertreterin der öffentlichen Bauherren Friederike Pfromm, Präsidentin von eco-bau, ein. Moderiert hat Marianne Stähler von der Geschäftsstelle eco-bau.
Schon die Kurz-Statements zu Beginn machten die Standpunkte mehr oder weniger klar. Während die Vertreter von CRB, Porr und der Hochschule Luzern vor allem die Chancen der Digitalisierung betonten, mahnten Friederike Pfromm und Dimitrios Gyalistras auch die Risiken an. Jürgen Schade formulierte es so: „Die Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten, also ist es besser, von Anfang an vorne dabei zu sein statt später hinterher zu rennen“. Interessant sei vor allem die Aussicht, schneller und besser bauen zu können. Frank Thesseling erwartet, dass die Digitalisierung die Planenden von der steigenden Komplexität des Bauens entlasten könne und ihnen so mehr Freiraum für die Suche nach zukunftsfähigen Lösungen schenkt.
Friederike Pfromm gab zu bedenken, dass die öffentlichen Bauherren der Digitalisierung eher skeptisch begegnen, wenn sie zu hochtechnischen Gebäuden führt. Die seien erfahrungsgemäss oft teurer im Betrieb als alte, „analoge“. Wenn die Digitalisierung zudem über die Bauphase hinausgehe, stelle sich rasch die Frage, was mit den Daten passiere, die beim Betrieb anfallen. Weil sie meist Rückschlüsse auf das Verhalten der Nutzer zulassen, seien sie hinsichtlich Datenschutz kritisch. Hier sah auch Dimitrios Gyalistras das Problem. Er ging gar soweit, die Digitalisierung als anrollenden Tsunami zu bezeichnen, der kaum noch zu beherrschen sei.
DIGITALISIERUNG = TSUNAMI?
Das rief Michel Bohren auf den Plan. Die Digitalisierung könne durchaus gestaltet werden, was bei einem Tsunami ja nicht der Fall sei. Pfromm wies indessen darauf hin, dass es gerade beim Datenschutz an politischem Gestaltungswillen fehle. Im Parlament jedenfalls werde der Diskurs bei weitem nicht mit der erforderlichen Intensität geführt.Tesseling stellt fest, dass selbst seine Studierenden langsam Angst vor zentraler Datensammlung bekommen. Das sei insofern ein gutes Zeichen, als diese Generation bisher ja als eher leichtsinnig im Umgang mit Daten gilt. Auch die Industrie lenke langsam ein und verlagere die Datenverarbeitung von den Grossen Cloud-Rechenzentren wieder zurück in die Geräte.Aus Sicht des Bauunternehmens, wandte Jürgen Schade ein, stelle sich die Frage nach Privatheit eigentlich gar nicht. Hier gehe es im Wesentlichen um technische Daten zu Baumaterialien oder zur Gebäudetechnik. Schon diese Daten können einen grossen Nutzen generieren, wenn sie in geeigneten Modellen gehalten und bewirtschaftet werden. Deshalb achte sein Unternehmen darauf, dass seine Kundschaft Gebäude mit BIM bestelle.
WAS PASSIERT MIT DATEN AUS DEM BETRIEB?
Das digitale Bauen allein sei tatsächlich eher unproblematisch, ergänzte Friederike Pfromm. Sobald aber schon nur der Wärme oder Stromverbrauch des Gebäudes erfasst und zentral ausgewertet werde, fangen die Probleme an. Aus diesen Daten lassen sich bereits schon recht scharfe Nutzerprofile gewinnen.
Eine grosse Chance für die Digitalisierung sieht Thesseling in der Partizipation im Planungs- und Bauprozess. Die durchgehende Digitalisierung dürfte hier das interdisziplinäre Arbeiten deutlich erleichtern, was sicher der Qualität zugutekomme. Das liess auch Dimitrios Gyalistras gelten – die Digitalisierung erleichtere ja auch die Integration von Systemen. Die Kehrseite aber sei, dass sie Begehrlichkeiten weckt. Denkbar wäre etwa, dass Versicherungen Rabatte auf für Nutzer gewähren, die bereit seien, bei sich zu Hause Infrarotsensoren zur Brandprävention zu installieren. Das sei vom Gedanken der Sicherheit durchaus sinnvoll, liefere aber zwangsläufig auch sensitive Daten über die Nutzer. Auf den Einwurf, die Nutzer könnten ja selbst entscheiden, ob ihnen Privatheit oder Geld wichtiger sei, entgegnete Gyalistras: „Wie soll die Grossmutter entscheiden, ob ein Infrarotsensor in ihrer Umgebung ein Problem sein könnte?“ Hier sei der Gesetzgeber gefordert.
ZUM BEISPIEL BAUTEIL-RECYCLING UND BESSERE RAUMAUSLASTUNG
Aus dem Publikum kam die Bitte, noch etwas konkretere Beispiele zu nennen, wie die Digitalisierung die Nachhaltigkeit fördern könne. Von Bohren kam der Gedanke, mit BIM-Daten eine Internetplattform zu bauen, die zeigt, welche Bauteile in Rückzubauenden Gebäuden stecken. Das würde die Wiederverwertung von Baumaterialien fördern.
Friederike Pfromm sieht Potenzial darin, die Auslastung von öffentlichen Gebäudenutzung zu verbessern. Dies erlaube es vielleicht wegzukommen vom Bau immer mehr spezialisierter Gebäude, die die meiste Zeit leer stünden. Vielleicht könne man am Ende gar weniger bauen. Das würde insofern helfen als das nachhaltigste Gebäude ja das sei, das gar nicht gebaut werde.
Thesseling sieht Potenzial darin, die Wärmeerzeuger mit Wetterdaten vorausschauend zu steuern. Damit liesse sich im Vergleich zur üblichen Regelung mit Aussen- und Innensensoren nicht nur Energie sparen, sondern auch der Komfort verbessern.
Eine Besucherin fragte, ob man eigentlich schon wisse, ob sich angesichts der rohstoff- und energieintensiven Herstellung von digitalen Komponenten überhaupt mehr Nachhaltigkeit gewinnen lasse. Man wisse heute, dass die Digitalisierung, wenn sie richtig betrieben wird, durchaus ökologische Vorteile bieten könne, antwortete Dimitrios Gyalistras. Ob die aber auch die gesellschaftlichen Risiken aufwiegen, sei hingegen nicht klar. Das liege vor allem daran, dass heute nicht klar sei, wem die Daten gehören, ergänzte Friederike Pfromm. Das sei eine grosse Hypothek, die wir den kommenden Generationen hinterlassen.
FAZIT
Mit Blick auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit lässt sich das Podiumsgespräch etwa so zusammenfassen: Umwelt und Wirtschaft könnten durch die Digitalisierung gewinnen. Bei der Gesellschaft hingegen ist das zurzeit zumindest für die Betriebsphase weniger klar. Hier brauchte es zuerst eine gesellschaftliche und politische Diskussion, was die Nutzung der anfallenden Daten und den Schutz der Privatsphäre betrifft.